Schwäbisches Tagblatt, Klaus-Peter Eichele
Nur
ganz selten hat ein deutscher Darsteller im amerikanischen Kino Fuß
fassen können, und wenn, dann verblubberte die Karriere nach wenigen
Filmen - siehe Nasti Kinski oder Jürgen Prochnow. Eine Ausnahme ist
Udo Kier - seit Jahren einer der gefragtesten Nebendarsteller
Hollywoods.
Der
Experte für Halunken aller Art machte Pamela Anderson in "Barb Wire",
Keanu Reeves
in "Johnny Mnemonic" und Wesley Snipes in "Blade" das Leben schwer.
Jetzt tritt er an der Seite Arnold Schwarzeneggers in dem
Milleniums-Thriller "End Of Days" in Erscheinung. Kiers Kinokarriere
begann Ende der sechziger Jahre in Schundstreifen wie "Schamlos" und
"Hexen bis aufs Blut gequält". Kultstatus erlangte er mit den beiden
Undergroundfilmen "Andy Warhols Dracula" und "Andy Warhols
Frankenstein". Danach tingelte er kreuz und quer durch den
europäischen Autorenfilm - von Fassbinder über Dario Argento bis zu
Christoph Schlingensief und Lars Von Trier, die er auch heute noch mit
Gastauftritten in ihren Filmen beehrt.
Als Sie 1991 nach Hollywood gingen, waren Sie ein durchschnittlich
bekannter deutscher
Schauspieler. Hätten Sie damals geglaubt, einmal mit Bruce Willis,
Keanu Reeves und Arnold Schwarzenegger vor der Kamera zu stehen?
Wenn
man nach Hollywood geht, rechnet man natürlich damit. Immerhin wurde
ich ja extra
nach Amerika geholt um in einem Film mit Keanu Reeves, "My Private
Idaho", zu spielen.
Und ich hatte Glück, dass dieser Film bei der Kritik sehr gut ankam.
Von daher hatte ich
überhaupt keine Starschwierigkeiten. Vielleicht hat die Amerikaner
auch mein Hintergrund
fasziniert, die jahrelange Arbeit mit Fassbinder und Lars von Trier
...
Als Hauptdarsteller in den beiden Andy-Warhol-Filmen waren sie ja
schon vor 25 Jahren in
den USA eine Art Star. Warum sind Sie nicht schon damals nach
Hollywood gegangen?
"Die
Geschichte der O", die ich danach habe ich inFrankreich gedreht habe,
war sogar noch ein größerer Renner in Amerika. Aber damals hatte ich
einfach noch keine Lust. Und im Nachhinein war es die richtige
Entscheidung, mit Mitte 40 herzukommen, anstatt als junger
Schauspieler hier rumzuhängen.
Bislang hat es in Hollywood aber nur für Nebenrollen gereicht. Wollen
oder kriegen Sie keine Hauptrolle?
Es
gibt keine Nebenrollen, nur große und kleine. In "Breaking The Waves"
hatte ich zwei Sätze zu sagen, und wurde trotzdem von der
amerikanischen Kritik gelobt. Natürlich will jeder Schauspieler eine
große Rolle. Aber die großen amerikanischen Studiofilme, wo hundert
Millionen dahinterstecken, werden auf amerikanische Stars
zugeschneidert. Es spielt ja auch sonst kein Deutscher hier
Hauptrollen. Armin Müller-Stahl hat vor Jahren mal eine gekriegt, aber
damit hat sich's. In Amerika geht es nicht danach, was einer kann,
sondern welchen Marktwert er hat.
Was treibt Sie an, neben Ihrer Hollywood-Karriere regelmäßig auch in
europäischen Kunst- oder sogar Undergroundfilmen wie die von
Schlingensief mitzuspielen?
Ich
habe bisher in jedem Film von Schlingensief mitgespielt, einfach weil
ich finde, dass er so herrlich frei und provozierend ist. Nicht nur
seine Filme, auch was er in Interviews sagt. Da gehört viel Mut dazu.
Was Ihre amerikanischen und europäischen Filme eint: Meistens spielen
sie Schurken oder zumindeste zwielichtige Gestalten. Warum nie den
strahlenden Helden?
Für
den Helden bin ich inzwischen ein bisschen zu alt, mit 55 kann man da
höchstens noch den amerikanischen Präsidenten spielen. Und aufgrund
ihrer Vergangenheit müssen die Deutschen in Hollywood eben meistens
die Bösen spielen. Das ist auch ganz verständlich, viele der älteren
Studioleiter waren ja direkt oder indirekt von der Nazizeit betroffen.
Mir selber macht das nichts aus, weil ich das Böse viel interessanter
finde. Im neuen Schwarzenegger-Film bin ich der Assistent des
Teufels.
In einem ihrer ersten Filme "Hexen bis aufs Blut gequält" wirken Sie
wie ein zweiter O.W.Fischer, so jung und blauäugig.
Ein
schöner Film. Aber diese Kitsch-Richtung wollte ich nie einschlagen.
Kurz danach habe ich angefangen, mit Fassbinder zu arbeiten, und damit
hatte sich die Sache mit dem jugendlichen Liebhaber sowieso erledigt.
Sie haben oft die Wege von Ikonen der Popkultur gekreuzt: Warhol,
Madonna, Pamela
Anderson. Wer hat da wen gesucht?
Es
war wohl der Zeitgeist, der uns zusammen gebracht hat. Madonna hat
mich in einem Film gesehen und wollte mich für ihr Sex-Buch haben. Mit
Pamela wollte ich selber unbedingt einen Film machen, weil ich diese
Frau faszinierend finde. Dass "Barb Wire" kein Erfolg und Pamela so
scharf kritisiert wurde, ist mir völlig unverständlich. Das ist ein
Actionfilm nach einer Comic-Vorlage. Wenn sie darin wie Meryl Streep
gespielt hätte - das wäre ja furchtbar gewesen.
Wie war denn die Arbeit mit Schwarzenegger? Sind sie mal ein Bier
zusammen trinken gegangen?
So
ist das hier nicht, man geht kein Bier trinken wie in Europa. Ich
trete auch gar nicht mit Schwarzenegger zusammen auf, meine Szenen
sind ausschließlich mit Gabriel Byrne. Aber wir haben nach dem Dreh
ein nettes Gespräch geführt. Schwarzenegger wird ja in Deutschland
völlig falsch eingeschätzt, immer nur auf Muskeln und Mr. Universum
reduziert. Dass er Betriebswirtschaft studiert hat an einer der besten
amerikanischen Universitäten, interssiert keinen. Er ist ein wirklich
sehr intelligenter Mensch und , nicht zu vergessen, seit Jahren einer
der fünf größten Boxoffice-Schauspieler Amerikas.
Mit welchem ihrer Filme wollen Sie denn im Gedächtnis bleiben?
Es
gibt einen wunderschönen ungarischen Film, "Narziss und Psyche". Das
ist vielleicht mein Lieblingsfilm, weil wir ein Jahr daran gedreht
haben, weil ich eine mythologische Figur über einen Zeitraum von 120
Jahren, von 1800 bis 1920, spiele. Und ansonsten natürlich mit meinem
ersten eigenen Film als Regisseur, den ich gerade vorbereite.
Worum wird es da gehen?
Das
wird der erste deutsche Dogma-Film, nach den Prinzipien von Lars von
Trier. Er handelt von Menschen auf der Straße, Transsexuellen in
Rollstühlen ..
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