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Subway, # 145, Dezember 1999, Dieter Oßwald
Sex
mit Pamela Anderson,Bomben mit Arnie
Udo Kier ist einer der erfolgreichsten und meistbeschäftigsten
Deutschen in Hollywood
Er hat einst mit Fassbinder und Andy Warhol gedreht, verfügt über die
Guinessbuchreife Filmographie von stolzen 95 Titeln. Inzwischen ist
Udo Kier mit "Blade" und "Armageddon" längst zu Hollywoods liebstem
deutschen Bösewicht avanciert, im November wird er mit Arnold
Schwarzenegger in "End of Days - Nacht ohne Morgen" auftreten. Mit
Hollywoods finsterstem Deutschen sprach Subway.
Wissen Sie eigentlich, in wievielen Filmen Sie bis dato mitgespielt
haben?
"Laut Internet sind es so um die hundert. Genau weiß ich das nicht.
Als Schauspieler zählt man nur die ersten zwanzig Filme. Wenn man es
geschafft hat, danach noch immer im Filmgeschäft zu sein, dann zählt
man nicht mehr weiter. So viel ist das ja auch nicht. Fassbinder ist
mit 36 Jahren gestorben und hat 42 Filme gemacht. Ich bin 55 - in
meinem Alter hätte Fassbinder mich mit Sicherheit übertroffen."
Gibt es so etwas wie Deja-vus, dass man nicht mehr weiß, in welchem
Film man gerade ist?
"Das passiert mir eher in den Luxushotels, die auf der ganzen Welt so
ähnlich sind. Schwierig wird es beim Drehen nur, wenn man zwei Filme
gleichzeitig macht. Im Sommer drehte ich in Luxenburg, "Shadow of the
Vampire" mit John Malkovich und Willem Dafoe. Gleichzeitig habe ich
noch "Pinocchio" mit Martin Landau gemacht - so etwas ist dann schon
anstrengend."
Mit welchem Gefühl sehen Sie sich selbst auf der Leinwand?
"Das tut eher weh, als dass es eitel stimmt. Schließlich sieht man gar
nicht mehr so aus, sondern ist ein, zwei Jahre älter geworden. Am
Anfang deiner Karriere bist du natürlich stolz, sammelst alle
Zeitungsartikel und zeigst die auch jenen, die sie gar nicht sehen
wollen. Aber im Laufe der Zeit wird man immer kritischer. Weil man
auch immer mehr von sich fordert."
Kein anderer Schauspieler ist so viel Filmtode gestorben - gibt es
noch neue Möglichkeiten?
"Die Regisseure überlegen inzwischen immer angestrengter, auf welche
neue Art sie mich umbringen können. Peter Hyams sagte zu Beginn von
"End of Days", dass sie für meinen Tod noch keine passende Idee
hätten. Zunächst gab es die Überlegung, dass mein Kopf zwischen zwei
Maschinenwalzen zusammengedrückt wird. Das wäre auch mal für mich mal
was ganz Neues gewesen. Aber dann kamen sie mit einem ganz einfachen
Trick an,: nun schlägt Gabriel Byrne als Teufel seine Faust durch mein
Gesicht - und hinten kommt die Hand wieder heraus. Ganz einfach doch
sehr effektvoll. Irgendwann müsste man einmal einen Zusammenschnitt
all meiner Filmtode machen."
Sind Sie noch nervös vor dem Drehen?
"Nervös ist man immer. Vor allem kommt es darauf an, in welchem Film
man spielt und wer die anderen sind. Aber Lampenfieber habe ich nicht
mehr. Mit Arnold Schwarzenegger spielt man natürlich an der Spitze des
kommerziellen Film, "End of Days" ist nach "Titanic" der teuerste Film
aller Zeiten. Überraschenderweise herrschte bei den Dreharbeiten eine
sehr private Atmosphäre. Bei "Blade" war das ganz anders: da hatte der
Assistent vom Assistent nochmals einen Assistent. Das geht bis ins
Unendliche. In einer kleineren Produktion ist eben der Stress auch
viel kleiner. Aber ich mache beide Arten von Filmen gleichermaßen
gerne."
Wie war es mit Arnold nach Drehschluß?
"Im Film selbst habe ich mit Arnold keine gemeinsame Szene. Ich wollte
auch nicht an seinen Wohnwagen anklopfen und sagen:"Guten Tag ich bin
Udo Kier, ich weiß nicht ob sie mich kennen." Erst beim Nachdreh haben
wir uns kennen gelernt. Arnold ist Co-Produzent und hatte die Szenen
von mir bereits gesehen. Er fand meine Sachen offensichtlich sehr gut,
darauf hin sprach er mich an und dann haben wir ganz normal
miteinander geredet."
Warum spielen Sie in Filmen wir "Armageddon" oder "End of Days" - nur
wegen der Gage?
"Nur wegen des Geldes allein mache ich nie einen Film. Aber mit
solchen Erfolgsfilmen wird man auf einen Schlag sehr populär und damit
stehen einem sehr viel mehr Türen offen. Aus diesem Grund trete ich
auch gern in Werbespots auf. Michael Bay hatte den Spot zu Mercedes
gemacht. Da haben wir uns kennengelernt und so bekam ich danach die
Rolle bei seinem "Armageddon". Eigentlich war das gar nicht
vorgesehen. Dann rief Michael an und sagte: " Ich geb Dir eine Stunde,
du bekommst alle Darsteller und deine Aufgabe heißt: mach die Jungs
nervös, ganz egal wie.
Sind Sie auf "My Private Idaho" nicht mehr stolz als auf "Blade"?
Nicht alle Filme, die ich gedreht habe,sind museumsreif. Aber von
jedem Regisseur lernt man etwas. Für mich ist jeder Film ein Erlebniss:
ob ich jetzt Pamela Anderson an die Hüften fasse, oder ob ich mit
Arnold Schwarzenegger irgend welche Bomben werfe, das ist für mich
alles spannend. Ich will vor allem eine gute Zeit haben beim Drehen.
Mit kommerziellen Filmen habe ich überhaupt kein Problem. Lieber mache
ich die in Hollywood als mit 60 verbittert in München zu sitzen.
Was war der Moment, wo Sie dachten: Jetzt habe ich es geschafft?
Diesen Moment habe ich noch immer nicht. Klar, ich bin zufrieden. Mit
meinem eigenen Regiedebüt "Lola Stein" würde ich gern noch ein paar
Hürden überspringen. In diesem ersten deutschen Film nach "Dogma"-Regeln
geht es um einen Transsexuellen, der im Rollstuhl sitzt,
Designerstühle liebt und von Telefonsex lebt. Wenn man 32 Jahre lang
im Film die Marionette gespielt hat, möchte man irgendwann einmal auch
den Puppenspieler machen.
Trauern Sie Ihren wilden Zeiten nach?
"Die Zeiten waren längst nicht so wild, wie es immer dargestellt wird.
Fassbinder, der war wild. Aber Warhol überhaupt nicht. "Dracula" und
"Frankenstein" waren höchst konzentrierte Arbeiten. Alkohol und Drogen
waren beim Dreh völlig verboten. Aber ich lebe nicht in der
Vergangenheit. Ich weiß ja schon, dass ich als Schauspieler in den
Geschichtsbüchern stehen werde. Und ich
will mindestens noch 50 Filme machen."
Was würde Udo Kier denn Udo Kier fragen?
"Ich weiß nicht. Warum leben Sie in dieser Geschwindigkeit und machen
so viele Filme? Warum leben Sie kein ganz normales Leben? Manchmal
frage ich mich schon, weshalb ich nicht Gärtner geworden bin.
Angenommen Sie hätten drei Wünsche frei, welche wären das?
"Dass man ein Mittel gegen Aids und Krebs findet. Zweitens, dass ich
noch lange gesund bleibe. Und drittens dass ich noch für lange Zeit so
viel Filme machen kann wie bisher.
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